Projekttagebuch 1993-1999

1993
Erste Idee zum Bau einer Arche


1994
Das physikalische Denkmodell "Kleinflasche" bestimmt von nun an die
Formüberlegungen für das Objekt maßgeblich. Dieses kosmologische
Modell veranschaulicht Phänomene des Raumes und wird
als "Pforte" für Zeitreisen bezeichnet.


1995
Entscheidung für die kanadischen Northwest Territories als Standort


1996
Verschiedene Formen, Konstruktionsprinzipien und Objektgrößen
werden entwickelt und wieder verworfen. Planung einer Vorbereitungsreise
zum Mackenzie River im darauffolgenden Jahr.

t01z t02z t03z

1997
Reise in die Northwest Territories, um einen geeigneten Standort für die
Figur zu finden und Erfahrungen mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen
in der Wildnis zu machen.
Im Rahmen dieser Reise wurde der "Ring" gebaut, eine kreisförmige Holzplastik,
die auf einem Floß montiert den Mackenzie River stromab gefahren ist.

t04z t05z

1998
Gründung der kuhlworks GbR, mit dem Ziel, das Projekt Arche 2000
zu realisieren. Die Idee, die Arche als schwimmendes Objekt zu konstruieren,
wird intensiv diskutiert. Vorbereitung und Durchführung der ersten Treffen zur
Zusammenstellung eines Arbeitsteams. Ab November '98 wiederholen sich
diese Veranstaltungen monatlich. Erste Holzmodelle werden gebaut, als
Tragwerk dient hier erstmals eine geometrische, zwanzigflächige Figur (Ikosaeder).

t08m t09m t10m t07m t08m

1999

Januar:

In dieser Phase ist die Beschäftigung mit den zu erwartenden psychischen
und physischen Belastungen in der Gruppe und den daraus resultierenden
Spannungen und Schwierigkeiten beim Zusammenleben im Arbeitscamp
zentrales Thema der Besprechungen. Erstes wesentliches Ergebnis dieser
Auseinandersetzung ist, daß die Anzahl der Mitglieder im Team auf sechs
Personen begrenzt wird.
Teilnehmer sind jetzt noch Markus Kuhn und Andreas Uhlich
sowie Lorenz Flierl, Christian Sandner, Hans Wasserheß und Stefan Zieg.


Februar:
Die Terminplanung wird abgeschlossen und die Flüge gebucht.
Ende Juni fliegen Markus Kuhn und Andreas Uhlich nach Inuvik am
Mackenzie Delta, um die benötigte Ausrüstung anzuschaffen, einen
Standort zu suchen und ein Camp aufzubauen. Drei Wochen später
treffen die anderen Teilnehmer ein. Nach sechs Wochen gemeinsamer
Bauzeit soll dann das Projekt abgeschlossen sein.
Start der "Mackenzie Delta Projekt" Website.


März:
Die zuständigen kanadischen Behörden in Yellowknife teilen mit,
daß das Projekt keiner besonderen Genehmigung bedarf, sofern es nicht
auf dem Gebiet der Gwich-in oder Inuvialuit sondern auf regierungseigenem
Land gebaut wird.
Weitere Arbeitsmodelle entstehen, anhand derer die notwendigen
Materialmengen abgeschätzt, sowie die Konstruktionsprinzipien weitgehend
festgelegt werden können. Die Plastik in der angestrebten Größe (Höhe 8-9 Meter)
schwimmend auszubilden, zeigt sich jetzt als nicht mehr realisierbar.
Aus persönlichen Gründen muß Lorenz Flierl seine Teilnahme absagen.


t11mApril:
Die endgültige Form des Objekts steht fest. Ein drei Meter hoher
Ikosaeder wird aus Holzstangen gebaut, um die Statik des Tragwerks,
geeignete Holzverbindungen und Verspannungen, sowie Verankerungen
zu testen und den möglichen Bauablauf festzulegen.

Mai:
Letztes Treffen der Mitfahrer.
Herstellung der Planunterlagen für den Bau des Objekts
und Anfertigung von Materiallisten und Modellfotos.
Zusammenstellung und Test der Ausrüstung.


Reisebericht

22.06.99
Markus Kuhn und Andreas Uhlich fliegen nach Inuvik, Kanada.

t10 t11 t11r t12 Wo ist Inuvik?

25.06.99
In den letzten Tagen ist es uns gelungen, ein Aluminiumboot mit einem
30 PS Motor zu erstehen. Mit Proviant und Benzin für eine Woche ausgerüstet,
starten wir zu einer ersten Erkundung in das Delta des Mackenzie River.


26.06.99
Wir erreichen den "Big Rock" am östlichen Rand des Deltas. Die Felsformation
erhebt sich ca. 30 Meter senkrecht aus der Wasserlandschaft. Die Hoffnung auf
diesem Plateau einen brauchbaren Bauplatz zu finden erfüllt sich nicht, da die
Realisation des Objekts an diesem Ort als zu schwierig erscheint.

t13 t14

29.06.99
Die vergangenen zwei Tage haben wir am Ufer des East Channels auf einer Sandbank,
unter dem als Windschutz aufgestellten Bootsrumpf, verbracht. Der Wind bläst aus
Norden, bei andauerndem Regen fällt die Temperatur auf unter fünf Grad.

t15

31.06.99
120 Kilometer südlich von Inuvik landen wir auf einer Insel inmitten des Main Channel.
Diese viele hundert Meter lange Sandbank erscheint uns wie geschaffen für den
Bau der Arche. Leider müssen wir erkennen, daß die Materialbeschaffung über
den - an dieser Stelle zwei Kilometer breiten - Fluß für uns unmöglich ist.

t16 t17

03.07.99
Nach mehrstündiger Bootsfahrt, vorbei an aus der Uferböschung herausragenden
Permafrostblöcken, erreichen wir weitläufige Sandbänke.

t18

04.07.99
Wir haben eine Insel gefunden, die als Bauplatz geeignet ist. Die an der Südspitze
gelegene Sandbank ist ein hervorragender Rahmen für die Skulptur. In der Nähe
gibt es ausreichend Baumaterial und der bewachsene Kernbereich der Insel gibt
dem Lager den notwendigen Schutz vor den kalten Nordwinden.
In den folgenden Tagen beginnen wir mit dem Bau eines Unterstandes und
errichten einen Steg am Bootsanlegeplatz.

t19p t19 t20 t27

13.07.99
In den vergangenen drei Tagen haben wir zwei Fahrten nach Inuvik unternommen,
um die übrigen Mitglieder abzuholen und unsere Ausrüstung endgültig zu komplettieren.
Für die 120 Kilometer lange Strecke zu unserem Standort benötigen wir mit dem
überladenen Boot bis zu sieben Stunden.
Schließlich breitet sich im Camp eine beeindruckende Materialmenge vor uns aus:
 - Vier Zelte, diverse Planen, Decken,
 - 5 Schwimmwesten,
 - 140 Liter Benzin in Kanistern,
 - Seesäcke mit Kleidung, Fotoausrüstung, Plastiktonnen,
 - 150 kg Lebensmittel,
 - Bretter,
 - 50 kg Nägel,
 - Äxte und Hämmer,
 - Sägen,
 - Stahlseile usw..
In den nächsten Tagen gehen wir daran das Camp vollständig aufzubauen und einzurichten.

t21 t22 t23
t24 t25 t26

19.07.99
Inzwischen haben wir 25 große Fichtenstämme für die Tragekonstruktion
und 200 Pappeln für die Verkleidung am gegenüberliegenden Ufer geschlagen,
zugerichtet und mit dem Boot zur Baustelle gezogen.
Das Laufen im dichten Unterholz des Waldes, die Hitze unter dem Moskitonetz,
das Schleppen der Stämme durch Sand und Uferschlamm und das Zusammenbinden
der Flöße im kalten Wasser ist so anstrengend, daß wir nur fünf bis sechs Stunden
täglich arbeiten können.

t29 t30 t31 t32 t32a

20.07.99
Nachdem am Vormittag das Schnurgerüst aufgebaut wurde, gelingt es uns
noch bis zum Abend die erste Stütze aufzustellen und im Boden zu verankern.

t34a t34 t33

21.07 99
In der Nacht hat uns ein Sturm stundenlang wachgehalten und heute morgen
war ein Großteil unserer Stämme komplett in Sandverwehungen begraben.
Am Nachmittag werden Wind und Regen so stark, daß wir die Arbeit nach
der Mittagspause nicht wieder aufnehmen können.
Die Temperatur ist auf unter 10 Grad gefallen.

t34b

22.-24. 07.99
Obwohl das Wetter die ganze Zeit über schlecht bleibt und die Temperaturen
um 8 Grad pendeln, gelingt es, fast die komplette Tragekonstruktion zusammenzubauen.
An einem acht Meter hohen Sicherungsmast in Klettergurten hängend, verbinden wir die
Stämme durch Verzapfungen und 30 Zentimeter lange Nägel.

t35 t36 t36a t36b

15.-28.07.99
Wie geplant bringen wir Stefan Zieg nach Inuvik zurück und kaufen Verpflegung
für die verbleibenden drei Wochen ein.
Der Ikosaeder ist inzwischen fertiggestellt, und die ersten Pappelstangen werden
an der Konstruktion angebracht.

t36c t37 t38

29.07.99
Durch Stahlseilverspannungen bekommt die Tragekonstruktion ihre endgültige Stabilität.
Jetzt können wir die tonnenschwere Verkleidung montieren.

t39 t40

30.07.-04.08.99
Es gelingt uns innerhalb dieser Woche, nahezu die gesamte Hülle der Plastik aufzubauen.
Um die oberen Teile der Verkleidung zu befestigen, stehen drei Mann angeseilt auf den
Stämmen der inneren Konstruktion. Die jeweilige Position der zu montierenden Stangen
wird aus großer Entfernung festgelegt.
Am Ende dieses Bauabschnitts sind unsere Holzvorräte aufgebraucht.

t40a

05.-06.08.99
Ein zweites Mal gehen wir in den Wald am gegenüberliegenden Ufer, um die nun
noch benötigten Pappelstangen zu fällen, zu entasten und zum Bauplatz zu flößen.

t28 t40b

07.08.99
Das Wetter ist seit einer Woche wieder besser (kaum Wind, kein Regen, 15 Grad),
allerdings macht uns seit gestern die riesige Rauchwolke eines Waldbrandes zu schaffen,
der südöstlich von uns große Waldflächen vernichtet. Die rauchige Luft verursacht
Kopfschmerzen, die Sichtweite beträgt zeitweise unter hundert Meter. Dennoch gehen
wir daran, die nun folgenden Teile der Skulptur anzulegen. Die schweren Stämme werden
an Seilen nach oben gezogen und eingebaut. Schon nach einigen Stunden ist
der waagrechte Teil der Skulptur gut zu erkennen.

t41 t41a

08.08.99
Nachdem am Morgen kaum noch "Nebel" zu sehen war, zieht es am Mittag nun
wieder komplett zu. Bei absoluter Windstille und dauerhaftem Sonnenschein heizt
sich die Luft unter der Dunstglocke auf. Die Temperaturen erreichen zum Teil
nahezu 30 Grad. Durch die stickige Hitze ist der Bau noch ermüdender als sonst.
Wir machen sehr lange Pausen und verlegen die Nachmittagsarbeit in die Abendstunden.

t41b

09.-11.08.99
Bei sonnigem Wetter verzieht sich der Rauch und wir verarbeiten die letzten
Pappelstangen bei angenehmen Temperaturen.
Die Skulptur ist nun beinahe fertiggestellt.
Wir demontieren Leitern, Sägebock und den Sicherungsmast.
Die Baustelle wird aufgeräumt und die Holzreste verbrannt.

t42

12.08.99
Der Rauch ist in der Nacht zurückgekehrt - dicht wie nie hängt er über dem Lager.
Bei absoluter Windstille und ohne die Rufe der Seeschwalben und Möwen,
ist auf unserer Insel kein Laut mehr zu vernehmen. Wir versuchen abzuschätzen,
wie nahe uns das Feuer wohl schon gekommen ist, um unsere Insel im Notfall
rechtzeitig verlassen zu können. So kurz vor der Fertigstellung der Figur ein
höchst unangenehmer Gedanke. Schließlich entscheiden wir noch abzuwarten,
und hoffen darauf, daß Wind aus Norden aufkommt, der das Feuer und den Qualm abdrängt.
Heute steht der endgültig letzte Arbeitstag bevor.
Die drei wesentlich an der Standfestigkeit der Konstruktion beteiligten Hilfsstützen
sollen herausgeschnitten werden, um die Wirkung der Skulptur nicht länger zu beeinträchtigen.
Die Aktion gelingt und nachdem die abgesägten Stämme weggebracht sind,
steht Arche 2000 von dichtem Rauch umhüllt vor uns.

t43a t43b t43 t44

13.08.-14.08.99
Übernacht verzieht sich der Dunst, und wir nutzen die verschiedenen Wetterbedingungen
und Lichtverhältnisse der nächsten Tage, um das vollständige Objekt in verschiedenen
Stimmungen zu dokumentieren.

t50 t51 t52 t53

15.08.99
Mit einem Wasserflugzeug bringt ein Buschpilot einen Freund auf unsere Insel,
Hans Wasserhess und Christian Sandner nutzen die Gelegenheit zu einem Flug
über das Delta zurück nach Inuvik.

t45 t60

16.08.-17.08.99
Wir bereiten wir die Rückfahrt vor und brechen das Lager ab.


18.08.99
Nach fünf Stunden Bootsfahrt erreichen wir Inuvik.

t65 t70

19.08.- 22.08.99
Nachdem unsere Ausrüstung und das Boot verkauft sind, fliegen wir nach Deutschland zurück.





Stefan Zieg
Stefan Zieg
Hans Wasserheß
Hans Wasserheß
Christian Sandner
Christian Sandner
Markus Kuhn
Markus Kuhn
Andreas Uhlich
Andreas Uhlich


© kuhlworks
Oktober 1999